Strafrechtliches Selbstverständnis im Kolonialrecht: eine rechtsvergleichende Auseinandersetzung mit dem Blick der deutschen und englischen Strafrechtswissenschaft auf ihre Rolle in den Kolonien = The self-perception of criminal law in colonial law : a comparative analysis of the role of German and English criminal law research in the colonies

Gerade in Ausnahmesituationen wird die (Straf-)Rechtswissenschaft durch die individuellen Auffassungen und Prägungen ihrer Akteure besonders beeinflusst. Dies gilt auch für die Strafrechtswissenschaft während der Kolonialzeit. So stellt sich die Frage nach einem Selbstverständnis der jeweiligen Stra...

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Detalles Bibliográficos
Autor principal: Möller, Leon Mark (Autor)
Tipo de documento: Print Artículo
Lenguaje:Alemán
Publicado: 2025
En: Neue Kriminalpolitik
Año: 2025, Volumen: 37, Número: 1, Páginas: 80-92
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Gargar...
Verificar disponibilidad: HBZ Gateway
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Descripción
Sumario:Gerade in Ausnahmesituationen wird die (Straf-)Rechtswissenschaft durch die individuellen Auffassungen und Prägungen ihrer Akteure besonders beeinflusst. Dies gilt auch für die Strafrechtswissenschaft während der Kolonialzeit. So stellt sich die Frage nach einem Selbstverständnis der jeweiligen Strafrechtswissenschaften. Der vorliegende Text kontrastiert das Selbstverständnis der deutschen Strafrechtswissenschaft hinsichtlich der deutschen Kolonien mit dem der englischen bezüglich British India. In der Ausgestaltung des deutschen Kolonialstrafrechts lässt sich neben der Unterstützung einer Reihe höchst rassistischer und paternalistischer Vorstellungen insbesondere ein hohes Maß an Desinteresse am Strafrecht in den Kolonien gegenüber der indigenen Bevölkerung feststellen. Dies zeigte sich schließlich auch durch das gänzliche Außer-Acht-Lassen derjenigen Werte in den Kolonien, auf die man sich in der Heimat als Grundfesten der Strafrechtswissenschaft geeinigt hatte. Ein rassistisches Grundverständnis lässt sich auch bei der englischen Strafrechtswissenschaft bezüglich Indien finden. Diese verfolgte jedoch mit einem großangelegten Kodifikationsvorhaben eine andere Herangehensweise und zeichnete sich infolgedessen durch ein anderes Selbstverständnis aus. Die indische Kolonie diente den englischen Strafrechtswissenschaftlern als Versuchsfeld für in der Heimat angestrebte Reformen, während man sich selbst zugleich als Herrscher als auch Förderer verstehen wollte. Trotz des vergleichbaren kolonialen Grundverständnisses bestanden also verschiedene Selbstverständnisse, welche sich als unmittelbare Ausprägungen der die jeweiligen heimischen Diskurse zu der Zeit prägenden Fragestellungen verstehen lassen.
It is notable that under exceptional circumstances jurisprudence in general and criminal law research in particular are influenced by its actors‘ views and backgrounds. This also applies to criminal law scholarship during the colonial era. Therefore, there is room for the question of the self-image of the respective criminal law sciences. This text therefore contrasts the self-image of German criminal law scholarship regarding the German colonies with that of English criminal law scholarship regarding British India. In addition to supporting a number of highly racist and paternalistic ideas through colonial criminal law, a high degree of disinterest in the criminal law of the colonies insofar as the indigenous population was concerned can be observed in German criminal law scholarship. Ultimately, this can also be seen in the complete disregard for those values in the colonies that had been agreed upon as the foundations of criminal law in the homeland. A racist overall approach can also be found in English criminal law scholarship on India. However, the English criminal law scholars pursued a different approach with a large-scale codification project and were thus characterised by a different self-image. The Indian colony served the English criminal law scholars as a testing ground for reforms sought at home, while at the same time, they were aspiring to see themselves as both rulers and patrons. So despite the same underlying conceptions, there were different self-perceptions, which can be understood as direct manifestations of the issues that characterised the respective domestic discourses at the time.
Notas:Literaturverzeichnis: Seite 91-92
ISSN:0934-9200