Kognitive Fehlschlüsse und kriminalistische Untersuchungen

Der menschliche Verstand ist anfällig für Fehlinterpretationen, die ein vollständig rationales Handeln oft behindern. Viele solcher Missverständnisse haben einen evolutionären Hintergrund und sind somit schwer zu vermeiden. Mangelhafte Zuverlässigkeit von Augenzeugen ist Kriminalbeamten, Staatsanwäl...

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Bibliographic Details
Main Author: Ditrich, Hans (Author)
Format: Electronic Article
Language:German
Published: 2016
In: SIAK-Journal
Year: 2016, Volume: 13, Issue: 3, Pages: 14-29
Online Access: Volltext (kostenfrei)
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Summary:Der menschliche Verstand ist anfällig für Fehlinterpretationen, die ein vollständig rationales Handeln oft behindern. Viele solcher Missverständnisse haben einen evolutionären Hintergrund und sind somit schwer zu vermeiden. Mangelhafte Zuverlässigkeit von Augenzeugen ist Kriminalbeamten, Staatsanwälten und Richtern gut bekannt. Auf die Auswirkungen kognitiver Effekte bei Ermittlern von Straftaten wurde allerdings bisher wenig Aufmerksamkeit gerichtet. Schon geringfügige Fehlschlüsse am Beginn von Untersuchungen können mitunter schwerwiegende Konsequenzen haben. Als Beispiele werden hier drei solche Fälle genannt, die große internationale Beachtung gefunden haben. In Interviews mit erfahrenen Tatortermittlern wurden unter anderem selektive Wahrnehmung, Erwartungshaltung und Bestätigungstendenz, Ablenkung durch sachlich unzusammenhängende Informationen (anchoring) und die Verlagerung der Beweislast vom Ermittler auf den Verdächtigen (onus probandi) als häufig auftretende Fehlerquellen bei strafrechtlichen Ermittlungen genannt. Als mögliche Gegenmaßnahmen werden die folgenden Schritte vorgeschlagen: Die ermittelnden Beamten sollen in ihrer Ausbildung verstärkt auf die Gefahren von kognitiven Täuschungen vorbereitet werden und der Erfahrungsaustausch unter den Ermittlern sollte durch regelmäßige, moderierte Fachzirkel gefördert werden. Darüber hinaus werden Verbesserungen des Fehlermanagements im Rahmen der Organisationskultur und die Schaffung eines Fehleranalysesystems zur Identifizierung und Verbesserung fehleranfälliger Prozesse vorgeschlagen.
ISSN:1813-3495
DOI:10.7396/2016_3_B